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Wenn du dich für eine Übungsstunde ans Klavier setzt, willst du oft bestimmt gleich mit dem Song weitermachen, den du beim letzten Mal gespielt hattest. Und natürlich ist dieser Enthusiasmus großartig. Aber beim Klavierspielen solltest du stets versuchen, jede Übungseinheit mit einigen Aufwärm-Übungen zu beginnen. Die sind nützlich, um deine Muskeln zu erwärmen und auch deinen Kopf auf das Kommende einzustimmen.
Denn es ist tatsächlich so: Klavierspielen und Musizieren im Allgemeinen ist eine körperliche Aktivität. Du beanspruchst dabei deine Muskeln ebenso stark wie dein Gehirn, deshalb solltest du dir beim Üben ein paar gesunde Gewohnheiten aneignen.Wenn du nicht genau weißt, wie du das tun kannst oder ein paar neue Übungen dazu lernen willst, dann schaue dir unsere Klavier-Aufwärmübungen für Anfänger an!
Klavier-Aufwärmübung Nr. 1: Dehnen und Strecken
Auch wenn es auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag: Einige der besten Aufwärmübungen für das Klavierspiel haben nichts mit dem Klavier selbst zu tun, sondern einfach mit Muskeldehnung. Wenn du deine Muskeln zu Beginn jeder Sitzung dehnst, bereitest du deinen ganzen Körper vor, genau wie beim Sport. So vermeidest du schwere Verletzungen wie das Karpaltunnelsyndrom!
Dehnungsübungen können vielfältig sein, wie z. B. sanfte Massagen deiner Hände und Finger oder Bewegungsabläufe, die verschiedene Körperteile einbeziehen. Das Tolle am Dehnen ist, dass du es fast überall machen kannst, nicht nur am Klavier!
Als gutes Beispiel für das Dehnen und Strecken als Teil deiner Aufwärmübungen empfehlen wir dir dieses Video-Tutorial mit einer Reihe von Übungen:
Klavier-Aufwärmübung Nr. 2: Tonleitern
In dieser Aufwärmübung fürs Klavier spielen wir Tonleitern. Damit bauen wir Geschwindigkeit, Beweglichkeit, Kraft in den Fingern und unser Muskelgedächtnis auf. Dazu nutzen wir zunächst eine C-Dur-Tonleiter über 2 Oktaven. Wir spielen also in dieser Übung die C-Dur-Tonleiter mit den weißen Tasten von C4 (mittleres C) bis C6. Die Tonfolge wird dir sehr bekannt vorkommen, es ist eine weit verbreitete Aufwärmübung. Weil es von einem C zum nächsten C acht (lateinisch: octo) Tasten gibt, nennen wir diesen Abstand eine Oktave – das gilt für alle Abstände von zwei Noten mit dem gleichen Namen.
Bevor wir in Halbtempo und vollem Tempo üben, solltest du erst mit dem Spielen der Tonleiter vertraut sein.
Lege zuerst deine rechte Hand auf die Tasten, mit dem Daumen auf dem mittleren C. Spiele dann jede weiße Taste aufwärts, bis du dich zwei Oktaven weiter bewegt hast und dich zwei Cs höher befindest. Achte darauf, den Fingersatz wie in der Abbildung zu nutzen und jede Note mit dem jeweiligen Finger zu spielen.
Nun spielst du alle weißen Tasten wieder zurück bis zum C4. Beachte auch hier wieder die Fingernummern im Notenbild. Sie zeigen dir, welchen Finger du für welchen Ton nutzt. Auf dem Weg die Tonleiter hinauf bewegt sich dein Daumen unter dem 3. Finger hindurch, dann unter dem 4. Finger und dann wieder unter dem 3. Finger. Abwärts wird diese Bewegung umgedreht, dein 3. und 4. Finger bewegen sich über den Daumen hinweg. Wenn du weißt, wie du die richtigen Fingerpositionen nutzt, wird dir diese Übung leicht fallen.
Klavier-Aufwärmübung Nr. 3: halbes Tempo / volles Tempo
Wenn du mit dem Spielen der Tonleiter gut zurechtkommst, füge in Nr. 3 unserer Aufwärmübungen etwas mehr Rhythmus hinzu, indem du einige Noten im „halben Tempo“ und einige in „vollem Tempo“ spielst.
Bringe deine rechte Hand wieder in Position, mit dem Daumen auf C4. Spiele diesmal die ersten acht Noten sehr langsam (Halbtempo). Spiele dann die nächsten vier Noten doppelt so schnell (volles Tempo). Wiederhole diesen Ablauf mit acht langsamen und vier schnellen Noten, bis du die Tonleiter zweimal hoch und runter gespielt hast. Im Video unten siehst du, wie es funktioniert.
Der Vorteil dieser Methode ist, dass beim halben Tempo sich unsere Finger etwas ausruhen können und wir dadurch die Noten bei vollem Tempo ryhthmisch genau und gleichmäßig spielen können.
Ein praktisches Beispiel für die C-Dur-Tonleiter ist der Song “Piano Man” von Billy Joel.
Der Vorteil dieser Methode mit doppeltem Tempo: Die Noten mit halber Geschwindigkeit geben unseren Fingern Zeit zum Ausruhen und helfen uns, die Noten mit vollem Tempo mit rhythmischer Genauigkeit und Gleichmäßigkeit auszuführen. Die C-Dur-Tonleiter in Aktion kannst du wunderbar mit den Noten von Billy Joels Hit „Piano Man“ ausprobieren.
Diese Übung kannst du mit jeder Tonleiter ausführen. Versuchen wir es mal mit der natürlichen a-Moll-Tonleiter (sie ist mit C-Dur verwandt und verwendet daher die gleichen Noten). Bevor du an die Tempoübung gehst, solltest du die Tonleiter zunächst sicher spielen können.
Beginne diesmal mit dem Daumen deiner rechten Hand auf dem A, gleich unter C4. Dann gehe die Tasten aufwärts und spiele jede weiße Taste, bis du zwei Oktaven absolviert hast. Dann spiele wieder abwärts bis zum Ausgangspunkt.
Ist dir aufgefallen, dass der Fingersatz der gleiche ist wie in C-Dur? Du könntest dir die Tonleiter als C-Dur, die auf A beginnt, vorstellen. Wenn du diese Tonleiter auf- und abwärts sicher spielen kannst, füge die Variation mit halbem Tempo/vollem Tempo hinzu.
Sei unbesorgt, wenn dir dieses Beispiel anfangs etwas schwer fallen sollte. Es braucht einfach etwas Übung. Beginne erst langsam und, wenn es hilft, zähle dazu laut mit. Sobald du diese Übung gut spielen kannst, macht sie nicht nur Spaß, sondern ist auch nützlich! Aufwärmübungen sind eben nicht nur zum Aufwärmen da…gleichzeitig festigst du auch deine Fertigkeiten am Klavier.
Ein praktisches Beispiel für die a-Moll-Tonleiter ist der Song “Mad World” von Tears for Fears.
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Aufwärmübung Nr. 4: Arpeggios – C-Dur & a-Moll
Im nächsten Teil unser Aufwärmübungen für Klavier geht es darum, mit Arpeggios die Beweglichkeit und das Tempospiel zu verbessern. Zur Erinnerung: Arpeggios sind Akkorde, die in ihre einzelnen Noten zerlegt werden. In diesem Fall wird C-Dur in die Noten C, E und G zerlegt. Für die Übung verwenden wir hier ein Arpeggio über zwei Oktaven in C-Dur und dann in a-Moll.
Als erstes machen wir uns mit dem C-Dur Arpeggio über zwei Oktaven vertraut. Bei einem Arpeggio spielen wir die erste, dritte und fünfte Note einer Tonleiter. Wir beginnen auf C4 und spielen alle C-, E-, und G-Noten bis wir am Ende der zwei Oktaven sind. Anschließend spielen wir all diese Noten wieder auf dem Weg zurück zu C4.
Spiele das Arpeggio mit der rechten Hand, der Daumen beginnt auf C4. Achte auf die Fingernummern unter bzw. über jeder Note, während du spielst.
Beachte, dass beim Spiel aufwärts dein Daumen sich unter dem dritten Finger hindurch bewegt. Das ist eine ganz schöne Strecke, daher achte darauf, deine Hand entgegen des Uhrzeigersinns zu drehen und wenn nötig auch deinen Ellenbogen etwas anzuheben. Auf dem Weg abwärts bewegt sich der dritte Finger über den Daumen; auch hier hilft es, die Hand entgegen des Uhrzeigersinns zu drehen, um die Strecke leichter zu überwinden.
Spiele jetzt diesen Teil der Aufwärmübungen mit einem Arpeggio in a-Moll über 2 Oktaven.
Was sind die ersten, dritten und fünften Noten in der a-Moll-Tonleiter? Genau: A, C und E.
Beginne mit dem Daumen deiner rechten Hand auf dem A gleich unter C4. Spiele alle A-, C- und E-Noten bis zum Ende der zwei Oktaven, danach wieder zurück zum Ausgangspunkt. Ist dir aufgefallen, dass wir für beide Arpeggios die gleichen Fingernummern verwenden?
Wenn du dich sicher fühlst, erhöhe langsam das Tempo – aber achte darauf, dass dein Anschlag und Rhythmus gleichmäßig und einheitlich bleiben. Arpeggios sicher zu spielen, ist sehr wichtig für dein Klavierspiel, denn sie kommen in vielen Musikstücken vor. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Mondscheinsonate von Beethoven, du findest sie in der Skoove App:
Aufwärmübung Nr. 5: Klavierübungen und Techniken nach Hanon und Czerny
Eine Liste von Aufwärmübungen für Klavier kann nicht vollständig sein ohne zwei der bekanntesten Klavierstudienmethoden: Czerny und Hanon. Diese beiden Klaviermethoden sind nach ihren jeweiligen Autoren, Carl Czerny und Charles-Louis Hanon, benannt. Beide waren renommierte und sehr produktive Klavierpädagogen des 19. Jahrhunderts.
Jeder dieser Autoren hat eine Vielzahl von Klavierübungen erstellt, die darauf abzielen, bestimmte Fähigkeiten bei Klavierschülern zu fördern und zu festigen. Die folgenden Übungen stammen beispielsweise aus zwei ihrer Methoden. Eine legt den Schwerpunkt auf Tonleitern mit fünf Fingern und die andere auf die Stärkung der Finger der linken Hand. Beide sind auch als Aufwärmübungen gut geeignet.
Beispiel einer Aufwärmübung von Hanon
Beispiel einer Aufwärmübung von Czerny
Aufwärmübung Nr. 6: Improvisationen
Sie gehört zwar nicht zu den Aufwärmübungen im eigentlichen Sinne, aber es ist eine wichtige und nützliche Fähigkeit, die du am Klavier lernen solltest: die Improvisation – das heißt die Fähigkeit, spontan Musik zu erschaffen und zu spielen. Die Vorstellung, zu improvisieren, mag zunächst beängstigend erscheinen. Aber denke einfach daran, dass der Sinn des Improvisierens darin besteht, musikalisch spontan zu sein und deiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Du kannst zum Beispiel versuchen, eine einfache Akkordfolge zu nehmen und eine Melodie darüber zu legen oder umgekehrt eine Melodie, die dir gefällt, mit verschiedenen Akkorden zu harmonisieren. Um dir eine Vorstellung davon zu geben, wie weit du kommen kannst, wenn du Improvisation in deine tägliche Routine einbaust, schau dir dieses Video von Gabriela Montero an. Sie improvisiert über zwei von den Zuhörern vorgeschlagene Themen alla Bach.
Klavier-Aufwärmübung Nr. 7: Ein neues Stück vom Blatt lesen
Eine wichtige Fähigkeit für Klavierspielende ist es, neue Stücke vom Blatt lesen zu können – das heißt, Noten zu spielen, die du zum ersten Mal siehst. Deshalb können wir auch das Folgende zum Aufwärmen nutzen: Nimm ein beliebiges Stück und versuche, es von Anfang bis Ende zu spielen – selbst wenn du es in einem sehr langsamen Tempo und mit ein paar Fehlern hier und da spielst.
Du kannst zum Beispiel jeden Tag eine neue Übung von Hanon oder Czerny ausprobieren. Mit der Zeit wirst du feststellen, dass das Erlernen eines bestimmten Liedes oder Musikstücks immer weniger Zeit in Anspruch nimmt. Damit wirst du dich beim Klavierspielen entspannter fühlen, was sich positiv auf deine allgemeine körperliche und geistige Gesundheit auswirkt.
Zusammenfassung
In diesem Artikel haben wir verschiedene Techniken zum Aufwärmen besprochen, mit denen du dafür sorgst, dass dein Körper für das tägliche Klavierspiel bereit ist. Sie werden dir helfen, gesunde Übungsgewohnheiten zu entwickeln. Zu den Aufwärmübungen gehören Dehnung, Tonleitern, Arpeggios, Improvisation und das Spielen vom Blatt. Wenn du all diese verschiedenen Ansätze ausprobierst, wirst du große Verbesserungen in deinem Spiel feststellen – auch wenn du nicht so viel Zeit mit dem Üben jedes einzelnen Liedes oder Stückes verbringst.
Autor dieses Artikels:
Felipe Tovar-Henao ist ein kolumbianischer Komponist, Entwickler und Forscher, dessen Arbeit sich auf algorithmische Kreativität, Klangwahrnehmung, Gedächtnis und Erkennung konzentriert. Seine Musik wurde von internationalen Künstlern und Ensembles wie Alarm Will Sound, Grossman Ensemble, Sound Icon, NEXUS Chamber Music und Quatuor Diotima aufgeführt und in Auftrag gegeben und bei vielen Festivals auf der ganzen Welt vorgestellt, darunter WOCMAT (Taiwan), SICMF (Südkorea), SEAMUS und SCI (USA). Derzeit lebt er in Medellín, Kolumbien, wo er Professor für Musiktheorie an der EAFIT-Universität ist.